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Wie man's macht

Wolfgang Bauer / Jonathan Stock „Krisen-ABC

Auto

Es sterben in Krisengebieten mehr NGO-Mitarbeiter in Verkehrsunfällen als durch Beschuss. Für Journalisten dürfte dasselbe gelten.

Falls Zeit dafür ist: Sorgfalt bei der Fahrer-Auswahl. Sorgfalt bei der Auswahl des Wagens. Hat der Fahrer die Technik im Griff? Hat der Wagen genügend Technik? Reifen! Wagenheber! Reservekanister! Zur Not: Fahrer wechseln (aber sehr nett, damit keine offenen Rechnungen bleiben).

Bauchgefühl

Viel beschworen, gibt es aber wirklich.


Geld

Immer Bargeld, da Banken meist geschlossen und Geldautomaten nicht funktionieren. Wieviel? Mehr als man denkt, von Land zu Land unterschiedlich, am Besten vorher Kollegen fragen (In Tripolis liegen die Übernachtungskosten bei 270 Euro, da Journalisten in einem bestimmten Hotel übernachten müssen, in Bagdad gab es tägliche “Gebühren” von 300 Dollar).



Kleine Scheine, verschiedene Währungen, immer eine starke internationale Währung (Euro, Dollar, Pfund).

Ich habe zusätzlich 1000 Dollar im Geldgürtel versteckt. Wird bei einer Durchsuchung gefunden, aber kann helfen, wenn das Gepäck geklaut wird. Außerdem 20 Dollar im Hemd für unmittelbare Befriedigung von räuberischen Gelüsten. Auch hier: kann helfen, muss nicht.

Mit Arbeitgeber/Auftraggeber klären ob Geld versichert ist (Verlust, Diebstahl, Beschlagnahme, etc.).

Es gibt keinen sicheren Weg, große Summen sicher zu transportieren oder zu lagern. Am besten auf unterschiedliche Orte/Menschen verteilen.

Geldwechsel am Besten mit vertrauenswürdigem Mittler.

Gepäck

Ein Rucksack. Darin: so wenig wie möglich. So viel wie Du im Notfall über eine längere Distanz tragen kannst.


Helm/Schutzweste

Zum Beispiel bei Mehler Law Enforcement. Für Kriegsgebiete nützen schusssichere Unterzieh-Westen wenig, da diese nur für Kugeln, aber nicht für Splitter von Mörsergranaten ausgelegt sind. Besser sind ballistische Überzieh-Schutzwesten mit Aufrüstplatten. Der genaue Typ kommt immer auf Land und erwartete Waffen an. Beraten lassen. Sollte für bestmöglichen Schutz maßangefertigt sein, ziemlich teuer und macht trotzdem nicht unsterblich.

Nachteil: Langsamer, unbeweglicher.

Achtung: Manche Länder (wie Ägypten) verlangen eine gesonderte Einfuhrgenehmigung.

Kleidung

Keine militärischen Kleidungsstücke, keine teuren Klamotten, Vorsicht mit Kunststoff-Kleidung in feuergefährlichen Situationen (Brände, Molotow-Cocktails). Goretex-Kleidung schmilzt und verschmort sich untrennbar mit der Haut.

Kommunikation

In Krisengebieten funktionieren Handys oft schlechter, gar nicht, oder nur in bestimmten Regionen/Netzen. Am besten trotzdem mehrere Handys mitnehmen für verschiedene Anbieter.

Außerdem:
* Satellitentelefon (Thuraya oder Iridium je nach Land). Wichtig Ersatzbatterien.
* Bgan (um Texte und Fotos zu schicken, Mails zu checken, kann man mieten, z.B. bei cpn.de)

Und unbedingt das ganze Spielzeug zu Hause in Ruhe ausprobieren!!!

Musik

Wichtig zum Entspannen und Runterkommen für zwischendurch

Nahrung

Mitnehmen. Oft gibt es in der Krise nichts zu essen. Ich habe letztes Jahr in Haiti eine Woche gehungert. Krise heißt oft auch Durchfall. Die Hälfte meines Gepäcks besteht aus – pfuiteufel – leichten Fertiggerichten.

Schlafen

In der Krise ein rares Gut. Mosquitodom mitnehmen. Mein Zuhause für überall, insektenfrei, sichtgeschützt, bei Wanzengefahr auch in Hotelzimmern aufstellbar.

Schreiben

Klingt blöd, aber Kulis funktionieren bei Staub und Hitze nicht lang. Harte Bleistifte mitnehmen

Sicherheitsinformationen

International News Safety Institute

SOS International (nur für Kunden)
Centurion (nur für Kunden; Kontakt)

Sicherheitskurse

Gibt es in Deutschland bei der Bundeswehr oder in Großbritannien zum Beispiel bei Centurion oder Pilgrims.
Der Kurs von der Bundeswehr in Hammelburg gibt es seit dem Tod der beiden Stern-Reporter Gabriel Grüner und Volker Krämer 1999. Er wird von der Berufsgenossenschaft als Präventivmaßnahme angeboten, aber von der Bundeswehr durchgeführt. Inhalte der Kurse sind u.a.: Erste Hilfe in Krisengebieten, Rollenspiele (Checkpoints, Überfall, Entführung) und Verhalten unter Beschuss.

Sicherheitskurse sind bei vielen amerikanischen und britischen Sendern und auch bei der Deutschen Welle Pflicht vor Auslandseinsätzen.

Die Kurse in Großbritannien gelten als “härter”, aber auch teurer.

Sinvoll und gerne vergessen

* Adapter (so wichtig wie der Pass)
* Ohrenstöpsel (gut gegen Explosionsgeräusche oder Dieselgeneratorlärm)
* Taschenlampe (und Ersatzbatterien)
* Multistecker
* Ersatzbrille
* Starkes Klebeband (zum Reparieren oder zum Abkleben von Fenstern als Splitterschutz)
* Sicherheitsnadeln
* Taschenmesser
* Zahlenschloss
* 10 Passfotos für Anträge u.ä.

Übersetzer

Das Alpha und Omega. Wichtiger als Schutzwesten und Satellitentelefon und alle anderen Tipps zusammen. Du vertraust ihm dein Leben an.

Versicherungen

Jeder Festangestellte ist bei einem Unfall in einer Berufsgenossenschaft versichert, auch im Krisengebiet, Freie sollten bei der BG nachfragen. Für normale Erkrankungen solltest Du noch eine Auslandskrankenversicherung haben (Empfehlung: ADAC).

Beauftragende Redaktionen sind sich häufig selber nicht über die Notwendigkeit/Möglichkeit von Versicherungen für Freie im Klaren. Ich wurde in der Vergangenheit bei Focus, Gruner & Jahr und „Der Zeit“ krisenversichert, als Freier. Häufig nur nach Nachfrage! Tipp: Lasst euch die Policen zeigen.

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Wolfgang Bauer


Hamburger. Jahrgang 1970. Im äußersten Norden und Süden Deutschlands aufgewachsen. Zeitsoldat, Kriegsdienstverweigerung. Zweiter Bildungsweg auf dem Abendgymnasium Reutlingen, währenddessen Bäckereifahrer, Fremdenführer, Möbelpacker, Müllsortierer. Studium an der Universität Tübingen, zunächst Islamistik, später Geographie und Geschichte. Seit 1994 als freier Journalist tätig. Das Schreiben gelernt beim Schwäbischen Tagblatt (Tübingen). Autor der Agentur Zeitenspiegel/ Stern-Büro Baden-Württemberg. Zwischen 2001 und 2010 Pauschalist des Reportagenressorts bei Focus. Seit 2011 Autor für ZEIT-Dossier und ZEIT-Magazin. Unterwegs auch für Neon/Nido und das Greenpeace Magazin. Diverse Journalistenpreise.
Website des Autors

Jonathan Stock


Geboren 1983. Trampreise von Eutin nach Indien. Geschichtsstudium in Berlin, Edinburgh und London. Henri-Nannen-Journalistenschule. Redakteur bei Geo Epoche und Spiegel Online. Mitbegründer des Arrabbiata-Preises, der den besten ersten Satz mit drei Tellern Nudeln prämiert.
Website des Autors
Dokumente
Krisen-ABC (PDF)

erschienen in:
Reporter-Forum,
am 10.06.2011

 

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